FEMtech Netzwerktreffen vom 10. Oktober 2022

10.10.2022 Fachhochschule Burgenland, Campus 1, 7000 Eisenstadt

Wie passen Energiewende und Gleichstellung zusammen?

Wir alle stehen vor neuen Herausforderungen durch die Energiewende und die sich zuspitzende Energiekrise. Besonders Frauen waren schon vor dem starken Anstieg der Energiepreise übermäßig oft von „Energiearmut“ betroffen. Ihre Belange werden vielfach nicht berücksichtigt in einer Branche, die stark von Männern dominiert und dementsprechend wenig divers ist. Mit der anstehenden Energiewende tut sich eine große Chance auf: Neue Formen der Energiegewinnung und -verteilung entstehen, Bewährtes wird hinterfragt. Wie kann die Chancengleichheit mitgedacht werden? Was bringt vermehrt Frauen dazu, in die Energiebranche einzusteigen und auch dort zu bleiben? Was sind die Herausforderungen der Unternehmen im Energiebereich, um das Thema Gleichstellung bei der Energiewende zu berücksichtigen? Spannende Fragen und Aspekte, die beim FEMtech Netzwerktreffen in Eisenstadt angeregt diskutiert wurden.

Eröffnet wurde das FEMtech Netzwerktreffen von Astrid Eisenkopf, Landeshauptmann-Stellvertreterin im Burgenland. Sie verwies auf die gute Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Burgenland, die in der Vergangenheit mehrere Studien zu Gleichstellung und Frauenfragen im Burgenland begleitet hatte. In der Landesregierung ist Astrid Eisenkopf u.a. zuständig für Maßnahmen in Umwelt-, Klimaschutz und Energie sowie für Angelegenheiten der Frauenpolitik, Frauenförderung und Gleichbehandlung. Passend zum Thema merkte sie an, dass auch im Burgenland die Folgen des Klimawandels, wie Starkregen oder Wasserknappheit, deutlich zu spüren seien und Energiearmut besonders bei Frauen zu bemerken sei. Sie erachte deshalb das Zusammendenken der Themen Energiewende und Gleichstellung für besonders wichtig. Ihre Eröffnungsworte gaben auch Einblick in Maßnahmen, die im Burgenland bereits gesetzt wurden und zukünftig angedacht werden.

Silvia Neumann, Vertreterin des Bundesministeriums für Klima, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und verantwortlich für die Initiative FEMtech, stellte die Intention der FEMtech Netzwerktreffen vor. Sie bedankte sich bei den Kooperationspartnern Fachhochschule Burgenland und Forschung Burgenland. Für die Energiewende brauche es aus ihrer Sicht drei Dinge, nämlich die Reduktion des Ressourcenbedarfs, nachhaltige Energieträger und vor allem „uns alle“. Sie betonte die Aktualität des Themas, verwies darauf, dass das Thema eines der Schwerpunkts des BMK ist und hob die Wichtigkeit des Zusammendenkens von Gleichstellung und Energiewende hervor.

Mit einem Blick auf die Bilder der UN-Klimakonferenzen im Jahr 2015 in Paris und 2021 in Glasgow startete die Keynotespeakerin Claudia Maier, Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs Internationale Wirtschafsbeziehungen an der Fachhochschule Burgenland und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschung Burgenland, ihren Vortrag. Der Männeranteil sei auffallend hoch, ein ähnliches Bild zeige ein Blick auf die Vorstände der Energieversorgungsunternehmen in Österreich: Die 10 großen Energieversorger werden laut Maier von 22 Männern und lediglich von einer(!) Frau geführt. Dieses Bild ziehe sich über verschiedene Ebenen hinweg bis hin zu ihrer eigenen Erfahrung im Forschungsbereich Energy Transition, wo sie oft eine der wenigen oder die einzige Frau in Projektkonsortien sei. Das Zusammenpassen von Energiewende und Gleichstellung wurde somit von Claudia Maier zu Beginn ihres Vortrags bewusst hinterfragt, auch vor dem Hintergrund, dass Studien die unterschiedliche Betroffenheit von Frauen und Männer durch die Energiekrise belegen. Frauen und Energie bzw. Energiearmut würden laut Maier in der Wissenschaft durchaus betrachtet, jedoch würden Frauen in wissenschaftlichen Publikationen im Kontext der Energiewende zu sehr als Opfer und als passiv dargestellt. Dies könnte aber auch ganz anders aussehen, schließlich seien die Gesichter der zahlreichen globalen Klimademos vorwiegend weiblich, z.B. Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Frauen auf Führungsebene seien nicht nur aktiv, sondern agierten „anders“ als Männer. Während weiße Cis-Männer in Führungspositionen sich oft andere weiße Cis-Männer ins Boot holten, um das Konfliktpotential so gering wie möglich zu halten, würden Frauen in Führungspositionen einen mutigeren Weg gehen und mit heterogenen Teams für mehr Diversität in der Führung sorgen. Dieses Zusammenkommen von unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen berge natürlich ein höheres Konfliktpotential und könne zu mehr Diskussionen führen. Diskussionen seien aber jedoch oft notwendig, um Veränderungen voranzutreiben, Raum für Neues zu schaffen und somit innovative Lösungen zu entwickeln. Auch auf Umsetzungsebene brauche es mehr Diversität. Sind Forschungs- und Entwicklungsteams vorwiegend männlich, führe das oft dazu, dass Produkte und technologische Lösungen von Männern für Männer produziert werden und diese in weiterer Folge auch an Männer vermarktet würden. Dies belegen zahlreiche Bilder aus der Werbung und damit auch die traditionellen Rollenzuschreibungen zu den Geschlechtern in Österreich. Maier sprach in ihren Ausführungen auch das Problem von „Male saviorism“ (Männer fühlen sich verpflichtet, Frauen mit ihren entwickelten Lösungen zu retten und ihnen das Leben zu erleichtern) an. Dass dabei die Perspektive der Frau gar nicht eingebunden werde, sei problematisch. Forschung in diesem Bereich solle daher immer um einen feministischen Blick ergänzt werden, um das Reproduzieren von Stereotypen zu vermeiden.

Genderorientierte Forschung bedeute für Maier, sich mehrere Dimensionen, Bereiche und die vielfältigen Lebensweisen von Menschen anzuschauen, um einen gemeinsamen Nenner von Gleichstellung und Energiewende zu finden. Sie forderte Diversität in Forschung und Entwicklung, um mehr als nur den männlichen Blick zu repräsentieren, Diversität in den Forschungsteams sowie das Einbinden der Bevölkerung in partizipativen bottom-up Ansätzen. Female Empowerment sei essentiell. Es müsse die aktive Rolle der Frauen in der Energiewende wahrgenommen werden, als Nutzerinnen, Multiplikatorinnen und Key Player. Das Interesse von Frauen müsse geweckt werden. Außerdem brauche es Feminist Leadership, also eine feministische Führung, um die Vielfältigkeit der Menschen, die Lösungen für die Energiewende entwickeln, in Unternehmen zu bringen.

Maier wies darauf hin, dass mit der Erfüllung eines Punktes die anderen automatisch mit beeinflusst würden: Wenn wir mehr Diversität in Forschungs- und Entwicklungsteams bekämen, könnten technologische Lösungen diverser und vielfältiger aussehen, was wiederum das Interesse bei Frauen wecken würde, sich mit diesen Lösungen auseinanderzusetzen und sich in dem Bereich fortzubilden. Dies wiederum würde neues Arbeitskräftepotential mit sich bringen, sprich mehr Frauen, die in Bereiche mit hohem männlichen Anteil vordringen oder Führungspositionen einnehmen könnten. Man müsse das Rad nur ins Rollen bringen. Um dieses Rad nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis ins Rollen zu bekommen, dafür brauche es eine verpflichtende Frauenquote in Unternehmen.

Mit dem abschließenden Satz, der bewusst akzentuiert gesetzt zum Nachdenken anregen sollte, wurde zur Podiumsdiskussion übergeleitet: „Erst wenn es normal ist, dass inkompetente Frauen in Führungspositionen sind, haben wir Gleichberechtigung erreicht.“

Neben Claudia Maier nahmen Andrea Loinig, verantwortlich für das Energiemanagement, Energieeffizienzmaßnahmen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bei FunderMax GmbH, Lukas Püspök, geschäftsführender Gesellschafter der Firma PÜSPÖK Erneuerbare Energie GmbH sowie Raphaela Reinfeld-Spadt, Leiterin der Forschung und Innovation in der Burgenland Energie, an der Podiumsdiskussion teil. Es folgte eine angeregte Diskussion mit Erfahrungsberichten aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen sowie zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum. Einig war sich das Podium jedenfalls, dass es in der Energiebranche noch lange keine Gleichstellung der Geschlechter gibt, da braucht es noch massivere Anstrengungen, allerdings wäre die Energiewende eine gute Möglichkeit, hier anzusetzen. Entstanden ist ein Potpourri aus vorgeschlagenen Maßnahmen und Empfehlungen, um Gleichstellung und Energiewende voranzutreiben. Eine Auswahl davon sei hier genannt:

  • Nutzen wir die schon bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen! Die Frauenquote beispielsweise wirkt eindeutig. Die Einführung und Erfüllung der Quote in höheren Managementpositionen wirkt sich dann auch auf die unteren Ebenen positiv aus.
  • Es braucht gemischte Teams auf allen Ebenen, von der Führung, über Forschung und Entwicklung bis hin zur IT und Montage!
  • Frauen sollten als potentielle Arbeitskräfte viel mehr gesehen und erkannt werden!
  • Es braucht Role Models. Forscherinnen und weibliche Führungskräfte müssen vor den Vorhang geholt werden, um Frauen die Scheu vor technischen Berufen zu nehmen!
  • Die Frauen selbst sollen sich ermutigt fühlen, die ihnen oftmals aufgedrängte passive „Opferrolle“ zu verlassen und sich mehr zuzutrauen.
  • Unternehmen und Betriebe brauchen Unterstützung bzw. Beratung, um Frauen zu gewinnen, zu schulen und zu halten. Dies beginnt schon beim Bewerbungsprozess bis hin zur Kommunikation, die weiblicher werden muss, um Frauen anzusprechen.
  • Es braucht gute Rahmenbedingungen für Frauen, die von Unternehmen geschaffen werden müssen, wie z.B. Transparenz bei den Gehältern, gleiche Rahmenbedingungen für alle, Mentoring-Programme, Möglichkeit zu Führung in Teilzeit, flexiblere Arbeitszeiten zur Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung (sowohl für Mütter als auch für Väter) und gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
  • Es braucht auch die Bereitschaft der Männer, den Frauen Platz einzuräumen, z.B. durch Inanspruchnahme von Karenzzeiten und/oder Elternteilzeit.
  • Die Energiewende braucht Partizipation und Mitgestaltung. Treiber:innen von Veränderungen sind oft Frauen, die sehr motiviert sind, die Welt zu verbessern. Die Erneuerbare Energie-Branche, die derzeit noch sehr männerdominiert ist, muss das als Chance begreifen.

Abschließende Worte fand Moderatorin Elke Szalai. Die Energiewende sei eine Chance für die Gleichstellung. Dafür brauche es gesetzliche Rahmenbedingungen, Aushandlungsprozesse, Solidarität und einen langen Atem.

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© Michael Gruber