FEMtech Netzwerktreffen vom 30. Oktober 2017

30.10.2017 Tech Gate Vienna, 19. Stock, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien

Was Forschende zufrieden macht – Der Reality Check

Der Frauenanteil in der außeruniversitären Forschung ist von 2014 bis 2016 weiter gestiegen. Die Gleichstellung in den Organisationen wird von den Forschenden als positiv bewertet. Auch die Arbeitszufriedenheit wird als hoch eingestuft - trotz objektiver Ungleichheiten und hoher Arbeitsbelastung. Worauf lassen sich Unterschiede zwischen Wahrnehmung und Realität zurückführen? Was macht Forschende zufrieden und welche Arbeitsbedingungen brauchen sie? Führt Flexibilität zu einer Verbesserung? Welchen Einfluss haben Führungskräfte auf die Arbeitszufriedenheit und was können sie zum Wohl der MitarbeiterInnen tun? Welche Impulse und Maßnahmen braucht es darüber hinaus? Diesen Fragen wurde im Rahmen des letzten FEMtech Netzwerktreffens, das am 30. Oktober 2017 in Wien stattfand, nachgegangen.

Rupert Pichler (BMVIT) berichtete in seiner Begrüßung über die Entstehung und Bedeutung der Gleichstellungserhebung. Da im Vorfeld der Veranstaltung auch kritische Rückmeldungen zur Zusammensetzung des Podiums stattfanden, ging er auf die Auswahl der DiskutantInnen ein. Die Diskussion sollte mit den Geschäftsführungen der außeruniversitären Forschung geführt werden und diese sind derzeit überwiegend männlich. Judith Palatin (FFG) erläuterte in ihren Begrüßungsworten die Ziele des FEMtech Netzwerktreffens. Frauen und Männer, die den FEMtech Gedanken unterstützen und gemeinsam die Zugangs- und Rahmenbedingungen für Frauen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich verbessern möchten, werden zu diesem Informations- und Erfahrungsaustausch eingeladen. Der Kreis der Interessierten wächst erfreulicherweise stetig. Bereits vor der Veranstaltung wurde der steigende Bedarf an Diskussion, Kommunikation und Austausch sichtbar.

Silvia Hafellner und Florian Holzinger von Joanneum Research präsentierten die Ergebnisse der Gleichstellungserhebung 2016. Der Frauenanteil in der außeruniversitären Forschung stieg weiter an, von 25 % auf 27 %. Es gab 38% Neuanstellungen von Frauen beim wissenschaftlichen Personal. Auch in den Führungsebenen zeigt sich ein leichter Anstieg bei den Frauen. Trotzdem sind Frauen in der Führung auch weiterhin unterrepräsentiert Die gesamte außeruniversitäre Forschung ist sehr jung. Forschende über 45 Jahren machen nur 18% aus. Zentrales Anliegen ist die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Der Trend zur Teilzeit bei Frauen und Männern hält weiterhin an. Mehr als 50% der Frauen sind bereits in Teilzeit beschäftigt. Vereinzelt ist auch Führung in Teilzeit möglich. In Teilzeit arbeiten vor allem junge Forschende und Frauen in den wichtigen Jahren der Karriereentwicklung, von 31-45 Jahren. Die Arbeitszeit wird meist aufgrund der Kinderbetreuungspflichten reduziert.
Die tatsächlichen Arbeitszeiten liegen aber deutlich über den vertraglichen. Tatsächlich würden die Forschenden gerne weniger arbeiten. 90% machen zumindest gelegentlich Überstunden, oft wird auch zu atypischen Zeiten gearbeitet. 50% der Forscherinnen und Forscher halten berufliche Aktivitäten in der Freizeit für notwendig. Die Vereinbarkeit wird von beiden Geschlechtern gut bewertet. Die Bewertung der Gleichstellung verhält sich diametral bei Frauen und Männern. Männer bewerten die Gleichstellung in den Organisationen als gut, Frauen sehen das nicht so. Telearbeit ist kein Vereinbarkeitsinstrument, es wird vor allem von stark belastenden Forschenden zur Bewältigung der Arbeit genutzt. 63% der Forschenden bezeichnen sich als stark belastet. Es gibt dabei keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Mit zunehmendem Alter wird auch die Belastung stärker wahrgenommen – als möglicher Faktor könnte die Verknüpfung von Seniorität und Führung gesehen werden. Generell nimmt die Arbeitslast stark zu. Trotzdem ist die Arbeitszufriedenheit relativ hoch. Geschlecht und Alter haben darauf keinen Einfluss. Eine zentrale Rolle in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen haben Führungskräfte. Daher ist eine kontinuierliche Schulung von Führungskräften im Bereich Gender und Diversität wichtig.

Für Florian Holzinger (Joanneum Research) sind neben dem Selbstmanagement die Gestaltung der Strukturen in den Organisationen wesentliche Faktoren, um Gleichstellung und damit auch Vereinbarkeit zu ermöglichen. Auf die Frage warum Frauen die Gleichstellung schlechter bewerten als Männer meinte er, weil ihr Blick realistischer darauf sei. Auch beim Gender Pay Gap sind in der Studie die Unterschiede darauf zurückzuführen, dass viele jüngere Frauen und Frauen mit weniger Führungsfunktionen in der außeruniversitären Forschung arbeiten. Aus anderen Studien bleibt auch weiterhin ein nicht erklärbarer Unterschied beim Einkommen. Aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus empfiehlt er Männern eine längere Väterkarenz. Zu einem Karriereknick sei es in seinem Fall nicht gekommen.
Auch wenn die Arbeitszufriedenheit hoch ist, braucht es aufgrund der hohen Arbeitslast dringend Maßnahmen. Möglicherweise werden die belastenden Arbeitsbedingungen einfach nur akzeptiert und hingenommen. Neben der Schulung der Führungskräfte empfiehlt Florian Holzinger die Nutzung der FFG Förderformate: FEMtech Karriere und FEMtech Karriere-Check für KMU ebenso wie FEMtech Forschungsprojekte. In diesen Förderlinien geht es um den Aufbau von Genderkompetenz und in den ersten beiden Formaten um Organisationsentwicklung.
Johann Jäger (ACR) sieht in der Zielgruppe der kleinen und mittleren Forschungsinstitute seiner Dachorganisation andere Rahmenbedingungen als bei großen Forschungsorganisationen. Der Frauenanteil liegt aktuell bei 29% im Bereich F&E. Als Dachorganisation könne er nichts vorschreiben, aber setzt auf folgende Akzente: Vor einem Jahr wurde eine Arbeitsgruppe für Genderfragen gebildet. Diese erstellt aktuell einen Leitfaden zum Thema Gender. Es wird eine Empfehlung an die Institute geben, diesen umzusetzen. Des Weiteren hat ACR einen Woman Award eingeführt.
In den Instituten gibt es weibliche Projektleiterinnen, die in Teilzeit tätig sind. Vor allem in kleinen Organisationen ist man besonders bestrebt, diese auch zu halten. Daher ist die Fluktuation eher gering. In den 18 Instituten wird jedoch nur ein Institut im Bereich Sozialwissenschaften von einer Frau geleitet.
Markus Klemen (SBA Research) hat bei der Präsentation der Ergebnisse vor allem überrascht, dass Führen auch in Teilzeit möglich ist. Mit Top Job Sharing hat er keine Erfahrungen. Die Arbeitszeit zu reduzieren ist in SBA Research möglich und hat sich für Frauen und Männer mittlerweile etabliert. Als Maßnahmen um mehr Frauen als Mitarbeiterinnen anzusprechen werden FEMtech Praktika für Studentinnen genutzt und ein Folder mit weiblichen Role Models wurde erstellt. Leider zeigen diese Maßnahmen aktuell wenig Wirkung. Der weibliche Nachwuchs in der Branche ist gering und der Anteil an Frauen bei SBA Research nimmt wieder ab, obwohl die Organisation großen Wert auf Flexibilität legt, um Vereinbarkeit zu gewährleisten. Hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen zu halten ist bei SBA Research schwer. Die Möglichkeiten zur Karriereentwicklung sind begrenzt, daher unterstützt die Geschäftsführung die Bewerbung der MitarbeiterInnen für andere Positionen außerhalb von SBA Research.

Das AIT hat ebenfalls im selben Zeitraum eine Befragung zur Arbeitszufriedenheit unter den MitarbeiterInnen durchgeführt. Anton Plimon berichtet, dass die Ergebnisse ähnlich sind wie jene des Joanneum Research. Auch der Wunsch nach Teilzeitarbeit steigt im AIT stark an. Vor allem in den Wachstumsbranchen (z.B. IT Branche) ist die Anzahl der weiblichen Studierenden und Forschenden gering, daher ist die Erhöhung des Frauenanteils beim AIT für ihn auch in Zukunft fraglich. Besonders unterrepräsentiert im Bereich F&E sind Frauen über 45. Die Karrieremodelle der Organisation sind vor allem für junge Frauen attraktiv und werden von diesen gerne genutzt. Ziel der Organisation sind heterogene Teams, denn diese performen besser. Daher versucht man beim Recruiting gezielt eine große Vielfalt an Forschenden insbesondere Frauen anzusprechen und die Job-Ausschreibungen dementsprechend zu gestalten. FEMtech Praktika für Studentinnen ermöglichen dem AIT einen großen Pool an potenziellen Mitarbeiterinnen aufzubauen. Auf laufende Einbindung und Information während der Karenzzeit wird beim Karenzmanagement bei AIT gesetzt. Ein zukünftiges Handlungsfeld ist der Aufbau von Skills und Awarenessmaßnahmen im Bereich Gender und Diversität bei den Führungskräften.

Für Gundi Wentner (Deloitte) ist Führung in Teilzeit möglich und auch außerhalb Österreichs gelebte Praxis. In Österreich jedoch sind Angebote an Geschäftsführungsposten in Teilzeit rar. Aus ihrer Sicht ist die reduzierte Arbeitszeit eine Karrierefalle, denn Zeit ist ein wichtiger Faktor für eine Karriere in der Forschung, z.B. bleibt dann keine Zeit zum Publizieren.
Ein weiteres Faktum ist, dass Frauen anders bewertet werden. In Österreich sind wir durch die Rollenbilder noch immer sehr stark geprägt. Einen „taffen“ Mann würde vermutlich niemand als unpassendes Role Model in der Führung empfinden, eine Frau möglicherweise schon. Organisationen müssen Spielregeln vorgeben, so besteht z.B. auch für weibliche Führungskräfte kein Problem junge männliche Mitarbeiter zu führen. Das Problem liegt oft an der Führungsebene darüber. Sie sieht, dass Männer nur dort in Karenz gehen, wo es akzeptiert ist. In diesem bestimmten Umfeld ist es dann auch keine Karrierefalle. Wo die Hürden liegen, müsse eruiert werden und klare Zielvereinbarungen für die Führungskräfte auch in Bezug auf Gender getroffen werden. Unbestreitbar ist, dass Frauen in Teilzeit sehr positiv für Organisationen sind. Sie sind die produktivsten Mitarbeiterinnen. Das klare Ziel muss sein, dass 50% Frauen in allen Ebenen inklusive der Führung tätig sind.

Fotos: © annarauchenberger.com / Anna Rauchenberger

© Anna Rauchenberger